In dieser bewegenden und sehr persönlichen Folge von „Backstage“ spricht Leni Bohrmann mit Diplom Bühnendarstellerin, Rednerin und Sängerin Christina Beyer aus Oyten bei Bremen. Christina blickt auf einen ungewöhnlichen und spannenden Lebensweg zurück, der sie von der Straßenmusikerin in der Fußgängerzone bis zur Musicalhauptrolle führte – und schließlich dorthin, wo sie heute steht: mitten im Leben, mitten unter Menschen, als freie Rednerin und Sängerin für Hochzeiten, Beerdigungen und andere bedeutende Momente.
Der Anfang: Gitarre, Straßenmusik und große Träume
Schon als Kind war klar: Christina hat Musik im Blut und Herzen. Mit 12 Jahren bringt sie sich selbst das Gitarre spielen bei – mithilfe eines Buches und der Gitarre ihrer Tante, die diese lieber dekorativ an die Wand gehängt hatte. Was als Neugier begann, wurde schnell zur Leidenschaft. Inspiriert von der Kelly Family stellt sich Christina mit ihrer Gitarre in die Fußgängerzone, singt Klassiker wie Let It Be, The Rose oder Morning Has Broken – und verdient so ihr erstes Taschengeld. Die Passanten bleiben stehen, hören zu, spenden Applaus – und Geld. Für ein 13-jähriges Mädchen ein unvergessliches Erlebnis.
Entdeckt mit 15 – und plötzlich auf der großen Bühne
Mit 15 wird Christina von einem „Talentscout“ – einem damaligen Musiklehrer und Musikalischen Leiter von Chor und Big Band – entdeckt. Er erkennt ihr Talent und fördert Christina, wo er nur kann. Er nimmt sie mit zu Proben, gibt ihr erste Soloauftritte, bringt sie mit einem Schulorchester und einer Big Band zusammen. Über eine Kooperation mit einer amerikanischen Partnerschule bekommt Christina die Chance, bei den Magic Music Days im Walt Disney World Resort in Florida aufzutreten. Mit 15 steht sie dort auf der Bühne – ein Moment in ihrem Leben, den sie damals kaum erfassen kann: „Ich war mehr damit beschäftigt, Wildwasserbahn zu fahren“, lacht sie heute.
Schulabschluss, Wettbewerbe und der Ruf der Bühne
Nach dem Disney-Erlebnis folgen Talentwettbewerbe, eine Nominierung für den Deutschen Rock- und Poppreis und immer neue Gelegenheiten, vor Publikum zu singen. Christina merkt: Das ist mehr als ein Hobby. Es ist Berufung. Schon in den Freundschaftsbüchern ihrer Schulfreunde schrieb sie als Berufswunsch: „Sängerin oder Schauspielerin“. Und sie arbeitet konsequent darauf hin.
Stage School Hamburg: harte Schule, großer Traum
Christina wird an der renommierten Stage School Hamburg aufgenommen – ein großer Schritt. Hier lernt sie Tanz, Gesang und Schauspiel in einem strengen, aber inspirierenden Ausbildungsumfeld. Ballett, Jazz und Modern Dance, Liedinterpretation, Sprechtechnik, Schauspielunterricht, Gesangstechnik, Theatergeschichte – der Stundenplan ist voll. Christina erkennt bald: Ihre Stärke ist vor allem der Gesang. Im Tanz holt sie auf, im Schauspiel blüht sie auf.
Engagement beim Musical „Tanz der Vampire“ – ein Zufall mit Folgen
Noch während ihrer Ausbildung bewirbt sie sich spontan beim MusicalTanz der Vampire. Sie bekommt ein Callback – sagt aber zunächst ab, weil sie im Urlaub ist. Zurück aus Spanien, klingelt das Telefon: Christina wird dennoch die Rolle der „Sarah“ angeboten. Ohne zweiten Vorsingtermin. Ein Traum wird wahr. Sie spielt ein Jahr lang die Hauptrolle – und springt damit direkt ins professionelle Musicalleben.
AIDA, Robinson, Freizeitparks – und dann der Abschied von der Musicalwelt
Es folgen Engagements auf den AIDA-Kreuzfahrtschiffen, Costa Cruises, bei Robinson Clubs, in Freizeitparks. Christina sammelt Bühnenerfahrung weltweit. Aber irgendwann merkt sie: Die klassischen Musicalrollen passen nicht mehr. Sie ist rausgewachsen – zu alt für die jungen Rollen, zu klein für die reifen. Auch die Anforderungen der Branche – von Körpergröße über Alter bis hin zu Typenprofilen – lassen wenig Raum für Entwicklung. Christina zieht sich langsam aus dem Rampenlicht zurück und beginnt, andere Wege zu gehen.
Neuanfang: Sängerin und freie Rednerin für Herzensmomente
Nach einer persönlichen Orientierungsphase – inklusive anderem Studium und Familiengründung – kehrt Christina zu dem zurück, was sie wirklich ausfüllt: Sie beginnt, auf Hochzeiten zu singen. Erst auf Bitten von Verwandten und Freunden – dann wird mehr daraus. Sie macht sich selbstständig. Als Hochzeitssängerin zur kirchlichen, standesamtlichen und freien Trauung begleitet sie zahlreiche Hochzeiten, mit ihrer berührenden und einzigartigen Stimme. Dass Christina heute nicht nur singt, sondern auch berührende Reden schreibt und hält, war ursprünglich gar nicht geplant. Es war ein Zufall. Bei einer Hochzeit, auf der sie als Sängerin gebucht war, fiel kurzfristig die Rednerin aus. Christina sprang spontan ein – und begeisterte mit ihrer authentischen, warmherzigen Art nicht nur das Brautpaar, sondern auch die Gäste. Dieser Moment veränderte alles. Christina erkannte, wie viel sie mit ihren Worten bewegen kann. Sie baute ihr Business aus und begleitete fortan nicht nur musikalisch, sondern auch mit einzigartigen Traureden zahlreiche Hochzeiten. Mit ihrer einzigartigen Stimme und ihrem tiefen Gespür für Stimmungen wurde sie zur gefragten Rednerin und Hochzeitssängerin. Doch dabei blieb es nicht: Ein Bestattungsinstitut sprach Christina an und schwärmte von ihrer berührende Stimme und einzigartigen Persönlichkeit, mit dem Wunsch eine Trauerrede zu halten. Christina fand zunehmend auch Worte für Abschiede und erweiterte ihr Angebot. So wurde aus der Hochzeitssängerin eine Traurednerin – und aus der Traurednerin eine einfühlsame Begleiterin bei Trauerfeiern.
Die Arbeit als Rednerin: Schauspielkunst trifft Menschenkenntnis
Christina erklärt, wie sie mit Paaren oder Angehörigen spricht, sich in sie einfühlt, ihre Geschichten aufsaugt, ihre Gesten beobachtet – um all das dann in Worte zu fassen. Ihre Bühnen- und Schauspielerfahrung hilft ihr dabei. Sie bereitet jede Zeremonie individuell vor, wird zum Ruhepol, zur Koordinatorin, zur Erzählerin – und zur Stimme in einem besonderen Moment.
Zwischen Gefühl und Professionalität: eine Frau mit Haltung
Im Podcast berichtet sie offen von Pannen, davon, wie sie mit Krankheiten umgeht, warum sie einen Auftritt am Tag nach der Geburt ihres zweiten Sohnes absolvierte – und warum sie sich bewusst gegen Social Media entschieden hat. Likes und Vergleiche seien nichts für sie, sagt sie, ihr Fokus liegt auf echter Verbindung mit echten Menschen.
Was sie sich wünscht?
Gesund bleiben. Ihre Familie im Gleichgewicht wissen. Und weiterhin die Möglichkeit haben, Menschen mit ihren Worten und Liedern zu berühren.